Wanderungen im Tannhäuserland

Wer bei Wanderungen durch Thüringen literarisch begleitet sein will, mußte bislang auf frühere Jahrhunderte zurückgreifen, da die Dichter noch Landschaft, Historie und Menschenschlag im grünen Herz in ihre Verse bannten. Nun hat ein Zeitgenosse, der 1984 in den Westen ausreiste und demnächst wiederkommen will, sich der Heimat angenommen. Informationen zum Autor erhält man unter www.lammla.de.
Wer immer gemeint hat, Lyrik sei nicht seine Sache, wird hier überrascht sein. Keine Gefühlsduselei, kein Subjektivismus, auch keine unverständlichen Sprachspiele und Experimente mit der Geduld des Lesers. Der Ton ist schlicht, traditional und anschaulich. Die Orte sind keine "Auffänger", man erfährt wirklich viel zur Natur und zur Geschichte. Ein bißchen Polemik gegen die "blühenden Landschaften" kann den Ossi auch nicht gerade verdrießen. Das erste Buch beginnt an der Orla und beschwört die Eigengesetzlichkeit einer Landschaft, die ihre eigene Mentalität hervorbringt und bewahren will. Mit den "Döbritzer Höhlen" schlingt sich ein weiter Bogen zur Altsteinzeit und heidnischen Mythen. Am Saaleufer läßt sich die wirtschaftliche Auf- und Abwärtsentwicklung besonders gut verfolgen, ob nun vom Kurhaus in Walsburg, von Ziegenrück im dreißigjährigen Krieg, vom einstigen Bergbau in den heutigen Feengrotten, von der Ulstädter Flößerei oder vom Schloßgespenst der Hohenzollern, der Kunigunde von Orlamünde, die Rede ist. Jena der Höhepunkt des ersten Buches, es wird nicht nur Schillers gedacht, sondern auch den Heimatvereinen um Fuchsturm und Jenzig. Weiter geht es mit den Dornburger Schlössern, Schulpforta und dem Naumburger Dom zum Novalis-Grab in Weißenfels. Kernstück des zweiten Bandes ist die Wartburg mit ihrer herausragenden Bedeutung in der deutschen Geschichte und der Rennsteig, gerade auch im ehemaligen Zonenrand- und Sperrgebiet. Für Nordthüringen hat der Autor ein drittes Buch angekündigt.
Tannhäuserland verbindet die Sage mit unserer heutigen Wirklichkeit und tut dies auf eine überzeugende Art. Wenn ich im Plothner Land unterwegs bin, habe ich oft die Verse aus dem "Starenwunder" auf den Lippen. Man merkt, daß der Autor selbst ein leidenschaftlicher Wanderer ist. Sein "Rennsteiglied", er hätte es vielleicht "Neues Rennsteiglied" nennen sollen, da der Name ja für ein sehr populäres Lied besetzt ist, läßt sich sehr schön auf die Melodie "Auf du junger Wandersmann" singen. Er macht Mut zu glauben, daß die DDR und das was danach kam nicht das letzte Wort der Geschichte sein müssen, wenn man sich ein gerechteres und menschlicheres Leben wünscht.

Holger Müller