Der Dichter Uwe Lammla

Uwe Lammla wurde 1961 in Neustadt an der Orla geboren und lebt als Buchhändler in München. Im Sommer 2006 wurde er von schwerer Krankheit heimgesucht, verbrachte eine Woche auf der Intensivstation und drei Monate im Krankenhaus. Danach löste er die OHG, an der er beteiligt war, auf, zog ich in den Versandhandel zurück und verdreifachte in nur 18 Monaten sein dichterisches Werk. Das Ergebnis liegt nun in zehn Büchern des Engelsdorfer Verlages vor, nur zwei komplett und drei zur Hälfte stammen aus den früheren Jahren. Was ist das für ein Mann, der sich mit 46 Jahren zu einer beispiellosen Produktivität aufschwang?
Ich kenne seine frühen Versuche und Träumereien, und ich kenne die 18 Bände der Werke Rolf Schillings, die er im 1-Mann-Verlag ohne Kapital und gegen alle Widerstände in Leinen mit Goldprägung herausgebracht hat. Schon in dieser Tat läßt sich ein gewisser Fanatismus für die deutsche Dichtung feststellen. Wie erklärt sich diese Passion für die gebundene Rede, die gültige Formel, die treffende Metapher?
Die ältesten Sprachwerke der Menschheit sind in Versen verfaßt. Darin zeigt sich zunächst die mündliche Überlieferung, Vers und Reim sind hervorragende Gedächtnisstützen. Deutlich wird hier auch die Unmittelbarkeit der Weitergabe. Neben Sagen und Historien sind die frühen Texte Bann- und Zaubersprüche. Die Magie der Sprache, die über die bloße Mitteilung hinaus Empfindungen und Gefühle auslöst, ist immer präsent. Uwe Lammla hat sich früh an dieser Welt berauscht und danach gestrebt, es den großen Meistern gleichzutun. Eine fomale Vollkommenheit erreichte er früh. Was ihm fehlte, war eine zentrale Botschaft, die sich in Naturbetrachtungen, geschichtlichen Gleichnissen, Deutungen von Sagen und Mären und spekulativen Entwürfen ausdrückt. Diese Botschaft hat er im vorigen Jahr gefunden und sie lautet: Das Reich ist möglich und unsere Verpflichtung. Und: Gott steht uns bei.
Was aber ist das Reich? Es ist wie alle Mythen ein Widerspruch in sich. Es ist zugleich deutsch und universal. Es ist kein Nationalstaat wie der französische, es ist ein Band für Friesen, Sachsen und Schwaben, aber auch für Böhmen, Ungarn die Lombardei und Venetien. Sein Wesen ist Vielfalt, seine Einheit besteht in der Verbindung von germanischem und christlichem Glauben. Dies heißt zweierlei: zum einen werden die Ahnen nicht nur in Ehre gehalten, sondern sie haben Entscheidungs- und Mitbestimmungsrechte wie die Ungeborenen. Zum anderen ist der Mensch Gott unmittelbar verantwortlich. Gleichwohl darf er auf Gnade hoffen.
Wenn man Lammlas Verse zum ersten Mal zur Hand nimmt, wird man auf eine starke Bannmauer stoßen. Lauter ungebräuchliche Wörter und eine komplizierte Syntax - wer soll das begreifen? Diese Mauer können Sie überwinden, wenn Sie einzelne Strophen mehrmals laut sprechen, bis sie sich im Gedächtnis festsetzen. Wenn Sie darüber schlafen, werden Sie festellen, daß sich diese seltsamen Gebilde mit den Träumen treffen, die jeder Deutsche in sich trägt. Langsam wird sich die Mauer verflüchtigen, und dann steht Ihnen eine Stimme zur Seite, die Sie durch den Alltag geleitet. Sie rät Ihnen, ob Sie den Fernseher einschalten oder ihn besser gleich in die Mülltonne entsorgen sollen. Im Gespräch mit Ihren Mitmenschen werden Ihnen plötzlich Wendungen auffallen, die Sie aus Lammlas Gedichten kennen, und Sie werden sie dadurch in völlig neuer Weise verstehen. Zusammenfassend: Sie werden die Erfahrung machen, die Luther schon machte und die Lammla häufig zitiert: Wer den Glauben hat, der lebt schon immer im Paradies, und wer nicht, der weiß nicht, wovon überhaupt die Rede ist.

Wolf Theilmann